Verborgen und verhüllt

Verborgen und verhüllt – was schreibt Jesus in den Sand?

Mit dem fünften Fastensonntag, dem sogenannten Passionssonntag werden die Kreuze verhüllt. Die Vorhänge fallen im tiefsten Moment des Sterbens – der Tempelvorhang zerreißt, und der Hauptmann ruft aus: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!“

Die Göttlichkeit Jesu scheint für einen Moment auf – zugleich aber bleibt sie dennoch verborgen und verhüllt.

Das heutige Evangelium berichtet davon, wie man Jesus eine Ehebrecherin vorstellt, die auf frischer Tat ertappt wurde und somit gesteinigt werden müsse. Jesus wird dazu befragt. Er jedoch bückt sich, um etwas in den Sand zu schreiben. Auf die Nachfrage der Umstehenden, was nun mit der Frau gemacht werden müsse, antwortet er: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Anschließend bückt er sich wieder auf den Boden und schreibt in den Sand. Aber was?

Vielleicht war es belanglos, da es der Evangelist sonst aufgeschrieben hätte.

Das Gesetz, das Mose von Gott erhalten hat, ist in Stein gemeißelt. Gesetze schreibt man nicht auf den Boden, in den Sand – sie werden fest eingraviert. Gott gibt starke Gesetze!

Jesus schreibt etwas in den Sand – wohl nicht für die Ewigkeit. Es wird uns nicht enthüllt werden, was da steht; aber vielleicht dürfen wir ein wenig Phantasie anstrengen:

Vielleicht schreibt er mit dem Finger auf die Erde, wischt weg, schreibt wieder neu: Was hat sie getan? Warum hat sie das getan? Ist sie alleine Schuld? Wie behandelt sie ihr Mann? Und begeht man nicht den Ehebruch wiederum mit einem Mann? Warum steht der nicht als Mitangeklagter neben ihr? …

Jesus wischt das Gesetz nicht einfach weg – aber er bückt sich, schaut in die Tiefe und befragt sich, für wen und zu welchem Ziel es eigentlich gegeben wurde.

Jesus bagatellisiert die Schuld der Ehebrecherin nicht. Aber er ist voller Erbarmen – er hat Mitleid mit ihr: Warum gerade sie? – Alle Umstehenden sind doch auch Sünder!

Was steht im Sand? Vielleicht, dass Gott die Liebe ist … Jene Liebe, die er uns wie ein Siegel aufs Herz gelegt hat.

Passionssonntag: Verhüllt – enthüllt!? Wir selbst sind dieser Vorhang, hinter dem sich die Liebe Gottes offenbart. Wenn wir uns für die Not der Menschen öffnen, dann machen wir damit die Leidenschaft Gottes für die Menschen transparent, geben ihm ein menschliches Angesicht!

Seine Liebe ist uns aufs Herz geschrieben – öffnen wir unser Herz für die Not der anderen!

Ihr Pfarrer Armin Nagel

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