Seelsorge

Feier der Versöhnung

Erkenne dich selbst

Ich war nicht der, der ich sein sollte. Ich war nicht die, die ich sein könnte. Ich war nicht so, wie ich sein möchte.Eine ganz alltägliche Erfahrung. So ist das Leben. So ist der Mensch. Wunsch und Wirklichkeit, Ideal und Alltag klaffen auseinander, nicht nur, was die eigene Vorstellung für ein gelungenes Leben angeht, sondern auch, was das eigene Selbstbild betrifft. Es gibt gute Zeiten, in denen es im Leben „stimmt“: Zeiten, in denen man sich kraftvoll, authentisch, frohgemut und produktiv erlebt. Doch oft genug ist das nicht der Fall. Jeder kennt Momente und Phasen, in denen es querläuft, weil Beziehungen brüchig und Überzeugungen fraglich werden, Projekte misslingen und Pläne scheitern.

Jeder kennt Zeiten, in denen er sich selbst nicht wiedererkennt oder nicht mehr leiden kann. Der (sehr menschliche!) Impuls, dann „die anderen“ (den Partner, die Eltern, das Kind, die Chefin, den Kollegen) oder „die Umstände“ (die schwere Kindheit, den beruflichen Druck, familiäre Belastungen, wirtschaftliche Herausforderungen) dafür verantwortlich zu machen, greift normaler weise zu kurz. Meistens kommt vieles zusammen, wenn das Leben beschwerlich und bedrückend wird. Fast immer trägt man selbst seinen Teil dazu bei. Das ist so. Bei jedem. Überall. Eigentlich wäre ich gerne ganz anders. Hätte ich doch anders reagiert. Könnte ich doch ungeschehen machen, was ich getan habe.

Foto Georg Schuchardt, Pfarrbriefservice

Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken, durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine
große Schuld.

Scheitern, Versagen, Fehler, Schuld – viele Begriffe bringen die Erfahrung zum Ausdruck, nicht so gewesen zu sein, anders gehandelt zu haben, als es richtig gewesen wäre. Man kann sich dadurch schuldig machen, dass man etwas Falsches tut. Man kann auch dadurch schuldig werden, dass man etwas Richtiges nicht tut, obwohl es geboten und möglich gewesen wäre. Das ist Schuld durch unterlassene Hilfeleistung, verweigerten Rat, Lieblosigkeit, Vergesslichkeit. Die christliche Frömmigkeit kennt und benennt nicht nur Versagen durch Tun („Werke“), sondern auch durch Worte und Gedanken. Worte, ob gesprochen oder verschwiegen, können verletzen, verklagen, lügen und verleumden. Gedanken und Impulse wirken im Inneren, können Missgunst, Neid, Groll und Rachegelüste entfachen und zwischenmenschliche Distanz und Brüche verfestigen. Schuld, die „Sünde“ genannt wird, steht im Horizont des Glaubens. Ihre Einsicht und ihr Bekenntnis geschehen vor Gott. Sünde meint also nicht nur Schuld im Bereich des religiösen Lebens und der Frömmigkeit. Entscheidend ist, dass das eigene Fehlen angesichts Gottes bewusst und bekannt wird. Wer sich als Sünder begreift, stellt sich mit seiner Schuld vor Gott. Er legt sein Scheitern in Gottes Hand. Er vertraut auf Gottes Vergebung und hofft auf sein Heil

Bekenntnis und Vergebungsbitte

Später ist man meistens klüger. Schuld wird oft erst im Nachhinein erkannt. Sündenbewusstsein ist in aller Regel retrospektiv. Und es ist etwas sehr Persönliches, etwas, das einem keiner abnehmen kann. Alles andere als angenehm. Im Sündenbekenntnis kommt all das zur Sprache. Es ist die sinnvollste Art, Schuld zu thematisieren: nicht als besserwisserische Anklage oder Verurteilung des anderen, sondern als Bekenntnis eigener Schuld. Typischerweise werden Schuldbekenntnisse – ob vor Gott oder vor anderen Menschen – darum in der 1. Person Singular (oder Plural) und im Perfekt formuliert: „Gott, ich habe gesündigt. Das ist meine Vergangenheit. So war ich. Ich wollte, es wäre anders, aber es stimmt: So bin ich gewesen.“ Wer seine Schuld bekennt, drückt heute aus, was gestern war. Doch er bleibt nicht in der Vergangenheit stecken, sondern hofft auf Zukunft. Das meint Vergebung: das Vergangene nicht leugnen zu müssen, aber es vergangen sein lassen zu können. Vergebung bedeutet, dass Schuld nicht das letzte Wort über den Schuldigen behält, ihn nicht endgültig definiert, sondern dass er neu beginnen kann. Vergebung ermöglicht Neuanfang. Vergebung schenkt Zukunft.

Kontext Kirche

Sünde ist Schuld, die im Glauben erkannt und im Glauben vor Gott getragen wird, auf dass er Versöhnung schenke und heile, was im Menschen zerbrochen ist. Dass Christen Sünde im Kontext ihrer Kirche thematisieren, liegt daran, dass die Kirche der Ort bzw. die Gemeinschaft ist, in der Gottes unerschöpfliche Vergebungsbereitschaft verkündet und Versöhnung erlebbar werden soll. Nicht von ungefähr enthält der zentrale Bekenntnistext aller Christen – das Credo – das Bekenntnis zur Vergebung der Sünden. Es findet sich im dritten Teil des Glaubensbekenntnisses, in dem vom Wirken des Heiligen Geistes die Rede ist. Wo Gottes Geist wirkt, wo er im Heiligen Geist in der Welt präsent ist, da entsteht Gemeinschaft (Kirche), da wird Versöhnung möglich und Vergebung wirklich.

Kirche steht im Dienst des Friedens und der Versöhnung. Dazu ist sie da. In der sakramentalen Versöhnung (der Beichte) gibt ein dazu bevollmächtigter Priester die Vergebungszusage. Dabei handelt er nicht als Privatmann, sondern als Amtsperson. Er drückt Gottes unbedingten Vergebungswillen aus. Dafür steht die violette Stola, die er trägt: Sie ist Symbol dafür, dass er im Namen Jesu Vergebung zuspricht und nicht aus eigener Kraft oder eigenem Gutdünken handelt. Violett ist die liturgische Farbe von Buße und Versöhnung.

Vergebung im Sakrament

Vergebung ist eine Grunddimension von Kirche. Nicht zuletzt deshalb gibt es in der Kirche ein eigenes Sakrament dazu. Zunächst galt die Taufe als entscheidendes und einziges Sakrament der Versöhnung (vgl. das große Credo: Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden). Doch bald zeigte sich, dass Christen natürlich auch nach ihrer Taufe immer wieder der Vergebung bedürfen. So bildete sich ein differenziertes kirchliches Bußverfahren heraus, welches in der Geschichte viele Veränderungen erfahren hat. Im antiken Christentum war die kirchliche Dimension von Sünde und Vergebung sehr viel sichtbarer als heute. Damals führten gravierende Vergehen wie Mord, Ehebruch und Glaubensabfall zum Ausschluss aus der Gemeinde und zur Versetzung in den sogenannten Büßerstand. Versöhnung bedeutete sowohl die Zusage von Gottes Vergebung als auch die feierliche Wiedereingliederung in die Kirche. Mit der Zeit rückte diese öffentliche Dimension in den Hintergrund. Der kirchliche Umgang mit Sünde und Vergebung wurde individueller und innerlicher. Das Bekenntnis wurde diskret vor dem Priester und nicht mehr öffentlich vor der Gemeinde abgelegt. Bußwerke konnten auf rein geistlicher Ebene verrichtet werden. Heute finden sich nicht nur in den verschiedenen christlichen Konfessionen, sondern auch innerhalb der katholischen Kirche viele unterschiedliche Formen, Versöhnung zu feiern.

Individuell

z.B. Reue, Gebet, Hören des Evangeliums, Fasten, Almosen, Umkehr, Werke der Liebe, Bekenntnis vor dem Mitchristen, das stille Bekenntnis vor Gott im Gottesdienst, die sakramentale Einzelbeichte

Gemeinsam

z. B. die Feier der Eucharistie, spezielle Bußgottesdienste (mit und ohne individuelles Bekenntnis samt sakramentaler Lossprechung) in den geprägten Zeiten vor Weihnachten und vor Ostern.

Während in den individuellen Formen der Versöhnung Verletzungen und Brüche im persönlichen Gottesverhältnis sowie im individuellen Lebensumfeld bedacht und bearbeitet werden, wird in gemeinschaftlichen Feiern bzw. Bekenntnissen der kirchliche Charakter der Versöhnung deutlicher: Die Kirche hat den Auftrag, Wege zur Versöhnung zwischen Menschen und zwischen Mensch und Gott zu eröffnen und Vergebung erlebbar zu machen. Sie besteht überhaupt nur als Gemeinschaft derer, die an die Vergebung der Sünden glauben (vgl. das Credo) und mit ihrem Leben bezeugen. Sünde und Schuld, Verletzungen und Brüche müssen nicht verdrängt, sondern können Gott hingehalten werden, auf dass er Versöhnung schenke und nach Scheitern und Trauer neue Wege eröffne. Dafür soll die Kirche einstehen, das soll sie in ihren eigenen Reihen wie in der umgebenden Gesellschaft erfahrbar machen – nicht nur im Sakrament und in anderen Gottesdiensten.

Das Sakrament der Versöhnung

„Gott wird niemals müde zu verzeihen; wir sind es, die müde werden, um sein Erbarmen zu bitten“

Papst Franziskus,
Enzyklika Evangelii Gaudium, Nr. 3

Die Beichte ist ein Ort, an dem Menschen „ihre Schuld und Zusammenbrüche bekennen, sich mit ihrem inneren Ringen, ihren Schwächen und Zweifeln anvertrauen und im gleichen Maß auch mit ihrem Verlangen nach Vergebung, Aussöhnung und innerer Heilung“ – ein Ort, an dem Menschen „einen Neubeginn wagen wollen“ (Tomáš Halík, Nachtgedanken eines Beichtvaters, Freiburg 2012, 10)

Die sakramentale Einzelbeichte ist wohl die intensivste und anspruchsvollste Weise, Gottes Vergebung zu erleben. Die Form ist dabei ausgesprochen schlicht und nüchtern. Ein einfacher Ritus trägt und unterstützt die existenzielle Herausforderung und bewahrt zugleich davor, das Geschehen unnötig zu dramatisieren. Im kurzen Beichtgespräch kommt offen ans Licht, was bedrückt. Im diskreten Raum, durch das Beichtgeheimnis geschützt, kommt wahrhaftig zur Sprache, was fehlging. Aufgabe des Beichtvaters ist es, Raum für eine offene Aussprache zu schaffen, zuzuhören, Anteil zu nehmen und dem Beichtenden klärend und ermutigend zur Seite zu stehen. Der Dialog korrigiert und befreit. Skrupel können aufgelöst, Scham bekannt und überwunden werden. Entschuldigungsmechanismen werden überflüssig. Das Bußsakrament bietet Raum, zum eigenen Scheitern zu stehen, ohne an der eigenen Würde zu verzweifeln. Verantwortung kann übernommen werden, Zukunft wird eröffnet.

Im Glauben erwachsen werden

Foto Friedbert Simon, Pfarrbriefservice

Das Sakrament der Buße zielt auf Versöhnung und Entwicklung der Persönlichkeit. Es geht um Beziehungspflege, nicht um Moralin. Wer beichtet, steht zu seinem Versagen. Wer sich vor Gott als Sünder/-in bekennt, übernimmt Verantwortung und gelobt Besserung. Das ist ein Zeichen von menschlicher Reife und psychischer Gesundheit. Wer unter krankhaften Skrupeln leidet und irrationale, unrealistische Schuldgefühle ausbildet, braucht dagegen einen Arzt oder Therapeuten. Das kann ein Beichtvater normalerweise nicht ersetzen. Die Beichte ersetzt auch nicht das persönliche Gespräch mit dem, an dem man schuldig geworden ist. Sie kann dieses Gespräch und die konkrete Wiedergutmachung des Schadens, sofern das möglich ist, aber unterstützen und ermöglichen, auf dass neue gemeinsame Zukunft möglich werde.

„Sünder – ja! Wie schön ist es, das hören und sagen zu können und uns in diesem Augenblick in die Barmherzigkeit des Vaters zu versenken, der uns liebt und immer erwartet.“

Papst Franziskus,
Korruption  und Sünde, freibrug 2014,33

Die Beichte kann daher zu einem wichtigen Moment des persönlichen Weges mit Gott werden. Das Bekenntnis wird in Inhalt und Form darum immer sehr individuell ausfallen und beim Kind anders aussehen als beim Erwachsenen, denn die Beziehung zu Gott ist immer individuell und drückt sich je nach Alter und Situation unterschiedlich aus. Doch egal, ob Jung oder Alt, das Thema ist immer dasselbe: Versöhnung zu empfangen und zu erleben. Sich selbst vor Gott als Sünder/-in zu erkennen und zu bekennen macht darum nicht klein, sondern groß, denn bei Gott ist Vergebung

Beichtrythmus

Einmal jährlich (in der Fastenzeit) und bei Bedarf – das ist die Empfehlung der katholischen Kirche. Sie spricht aus Erfahrung. Kein Priester wird sich Ihrem Wunsch, beichten zu wollen, verweigern. Ob man eher bei einem persönlich bekannten Priester beichten möchte, der den eigenen Lebensweg begleiten kann, oder eine gewisse Distanz und Anonymität vorzieht, ist eine Typfrage.

In den Konstanzer Bodanrückgemeinden haben Sie in der Adventszeit und der Fastenzeit jeweils dienstags, mittwochs und donnerstags nach der Abendmesse die Gelegenheit, zur Beichte zu gehen. Sie können sich aber jederzeit auch ans Pfarrbüro,

Telefon 07531 – 44171 oder an Herrn Pfarrer Nagel, Telefon(07531 – 6924966 oder Mobil: 01525 – 3893982 bzw. Herrn Pfarrer Florian, Telefon 07533 – 936 1252 direkt wenden, um einen Termin zur Beichte zu vereinbaren.