Der bittende und flehende Gott

Der bittende und flehende Gott – der ohnmächtig Allmächtige

Vergangene Woche habe ich formuliert: „Da Gott den Menschen als sein Abbild erdacht und geschaffen hat, bedeutet das für uns als seine Abbilder, ganz gegenwärtig zu sein für die Herausforderungen und die Not, mit der die Flüchtenden konfrontiert sind.“

Ich erlebe in diesen Tagen, wie viele Menschen in unseren Kirchen Kerzen entzünden, Gebete formulieren, bitten und flehen, dass der Krieg und die Ungerechtigkeit endlich ein Ende nehmen. Logisch gedacht: Wenn wir tatsächlich als Abbilder Gottes gedacht und erschaffen sind, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass Gott selbst ein Bittender und Flehender ist.

Und genau darin setzt er sich in seiner Allmacht eine Grenze. Indem er dem Menschen die Freiheit geschenkt hat, wird der Allmächtige ohnmächtig.

Das mag paradox klingen, aber gerade das uns allen vertraute Evangelium dieses Sonntags drückt diese göttliche Hilfslosigkeit aus: Der „verlorene Sohn“ hat sich sein Erbe auszahlen lassen. Damit zeigt er, dass sein Vater bereits für ihn gestorben ist. Daraufhin bringt er das Geld mit vermeintlichen Freunden durch, vergnügt sich, um schließlich völlig bankrott und runtergekommen dazustehen.

Nachdem er in sich gegangen ist, wagt er den Schritt der Umkehr, um dann zum Vater zurückzukehren, der ihn mit offenen Armen aufnimmt und ihm das edelste Gewand anzieht. Die riesengroße Freude über die Wiederkehr findet in einem rauschenden Fest seinen Ausdruck.

Aber die Tage, Monate, Jahre zuvor? Ich stelle mir vor, wie der Vater tagein, tagaus vor dem Haus auf- und abgeht, um den weiten Horizont abzusuchen, ob er seinen verlorenen Sohn zu entdecken vermag. Er kann nichts Anderes tun: Da er die Freiheit seines Sohnes respektiert, kann er nur warten, innerlich bitten und flehen, dass er endlich zurückkehre.

Vielleicht ist Ihnen dieses Gottesbild zu anthropomorph (also zu sehr vom Menschen auf Gott hin projiziert), aber für mich erklärt sich, warum wir Gottes Handeln oft nicht wahrnehmen können.

Gott schränkt seine Allmacht ein, indem er die Freiheit des Menschen respektiert. Und damit respektiert er die Freiheit aller – der Guten wie der Schlechten. Da Gott mit seinem Freiheitsangebot an den Menschen ernst macht, wird er auch keinen russischen Präsidenten und andere Demagogen und Despoten zu einer Einsicht zwingen.

Zugleich stelle ich mir den himmlischen Vater so vor, wie er tagein, tagaus auf- und abgeht, um am Horizont endlich einen Silberstreif auszumachen, der auf Versöhnung und Frieden hinweist.

Und wenn er selbst ein Betender ist, dann wird er aktuell Herrn Putin und andere Verantwortliche flehentlich bitten, dem Frieden endlich den Weg zu bereiten.

Es liegt an den genannten Personen, ob sie ihre Ohren für das göttliche Bitten öffnen und ob sie die geschenkte Freiheit nutzen, um sich gegen den Krieg und ein respektvolles Miteinander zu entscheiden. Darum bete und bitte ich!

Ihr Pfarrer Armin Nagel

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